Übersicht

Das Projekt North Atlantic Waveguide, Dry Intrusion, and Downstream Impact Campaign (NAWDIC) ist eine neue Initiative für eine internationale Messkampagne, die sich auf die atmosphärische Dynamik in den mittleren Breiten konzentriert mit dem Ziel, detaillierte Beobachtungen zur Verbesserung des Verständnisses und der Modellierung der mesoskaligen Tropopausenstruktur, der Wechselwirkung zwischen Dry Intrusions und planetarer Grenzschicht sowie deren Beziehung zu Extremwetterereignissen im Winter im Bereich des Nordatlantik zu liefern. NAWDIC wird direkt auf den Erkenntnissen des North Atlantic Wave Guide and Downstream Impact EXperiment (NAWDEX; http://nawdex.org) aufbauen, bei dem diabatische Prozesse in aufsteigenden Luftströmen beobachtet und ihre Auswirkungen auf die Tropopausenstruktur untersucht wurden. NAWDIC wird durch die deutsche HALO-Flugzeugkomponente initiiert, die derzeit für Januar/Februar 2026 geplant ist. Wir sehen NAWDIC jedoch als eine internationale Kampagne, die aus mehreren Komponenten besteht, die als eigenständige Messkampagnen von verschiedenen Gruppen geplant sind, aber von Synergien profitieren werden, die unter dem Dach von NAWDIC koordiniert werden.

NAWDIC wird offiziell vom World Weather Research Programme (WWRP) der World Meteorological Organization (WMO) unterstützt.

NAWDIC schematic
Idealisierte schematische Darstellung des möglichen Einsatzes von Forschungsflugzeugen und bodengebundenen Beobachtungssystemen während NAWDIC.

Wissenschaftliche Zielstellungen

NAWDIC zielt darauf ab, unser Verständnis von synoptischen bis mikroskaligen dynamischen und physikalischen Prozesse zu verbessern, die mit der Auslösung von schweren Windböen, Starkniederschlägen und Kaltluftausbrüchen im Nordatlantik und im euro-mediterranen Raum verbunden sind, sowie deren Darstellung in numerischen Wetterprognose-Modellen. Insbesondere wird sich NAWDIC auf das physikalische Verständnis und die Quantifizierung des Dry-Intrusion-Luftstroms für die Entwicklung von Extremwetterereignissen im Zusammenhang mit außertropischen Zyklonen im Winter konzentrieren. Die NAWDIC-Forschung ist auf drei wissenschaftliche Ziele ausgerichtet:

  1. NAWDIC wird Beobachtungen bereitstellen, die die mesoskalige Struktur des Wolken- und Windfeldes, einschließlich der Vertikalbewegung, innerhalb des Jetstreams charakterisieren können, insbesondere in der Nähe von Jetstreaks und an Orten, an denen der kohärente Abstieg von Dry-Intrusion-Luftmassen beginnt.
  2. NAWDIC wird unser Verständnis des Impulstransports in die planetare Grenzschicht und dessen Rolle bei der Entstehung von schweren Windböen und Konvektion verbessern. Dies wird durch hochauflösende Beobachtungen von Wind, Temperatur, allen Wasserphasen und mikrophysikalischen Wolkeneigenschaften dort erreicht, wo Dry Intrusions bis zum oberen Rand der Grenzschicht, in die Grenzschicht und zum Boden darunter sowie in angrenzende Kaltfronten hinabsteigen.
  3. NAWDIC wird die Bedeutung der Modelldarstellung der turbulenten Flüsse im Kaltluftsektor und nahe der Fronten außertropischer Zyklonen für Extremwetterereignisse und die nachfolgende Zyklogenese, insbesondere über dem Ozean, klären. Zu diesem Zweck sind detaillierte Beobachtungen der turbulenten Wärme-, Feuchte- und Impulsflüsse an der Grenzfläche zwischen Luft und Meer geplant.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Tropopausenstruktur ist wichtig für die außertropische großräumige Zirkulation, da sie eng mit der Stärke des Jetstreams zusammenhängt und einen Wellenleiter für Rossby-Wellen bildet (z. B. Martius et al. 2010; Grams und Archambault 2016; Quinting und Vitart 2019). Zwei der wichtigsten Ergebnisse von NAWDEX sind (i) bisher unbeobachtete mesoskalige Störungen in der Nähe der Tropopause, die mit diabatischen Prozessen zusammenhängen, die den Gradienten der Potenziellen Vorticity an der Tropopause verstärken und die Windgeschwindigkeiten des Jetstreams erhöhen (Harvey et al. 2020; Oertel et al. 2020), und (ii) Beobachtungen, die belegen, dass die Feuchte-, Temperatur- und Windgradienten in der Tropopause bereits in der Analyse und frühen Vorhersage der modernen Vorhersagesysteme unterschätzt werden (Schäfler et al. 2020).

Die Struktur der Tropopause kann sich auf zwei Arten auf die Bildung von Extremwetter auswirken: entweder durch den Ferneinfluss von Störungen der Tropopause auf die großräumige Strömung oder durch das direkte Absinken von Luftmassen aus höheren in tiefere Schichten. Ein Schlüsselmerkmal im Zusammenhang mit dem Luftmassentransport ist der Dry-Intrusion-Luftstrom, der die Luft nahe der Tropopause mit den Wetterphänomenen am Boden stromabwärts im Lagrangeschen Sinne verbindet. Innerhalb von Dry Intrusions sinken Luftmassen schräg von nahe der Tropopause in Richtung der stromabwärts gelegenen Kaltfront der Zyklone ab (Browning 1997), wo sie klimatologisch mit verstärkter vertikaler Durchmischung in der Grenzschicht und starkem frontalem Niederschlag verbunden sind (Raveh-Rubin 2017; Catto und Raveh-Rubin 2019). Dennoch gibt es immer noch große Unsicherheiten in Bezug auf die Dynamik von Störungen entlang von Kaltfronten, wie z. B. Kaltfront-Regenbändern und deren Zusammenhang mit Unwettern. Wenn Dry Intrusions die planetare Grenzschicht erreichen, fördert die Anwesenheit von relativ kühler und trockener Luft über dem Ozean die Feuchtigkeitsaufnahme (Ilotoviz et al. 2021; Givon et al. 2024). Dies könnte die Bildung von oder die Wechselwirkung mit atmosphärischen Flüssen begünstigen, die häufig zu ausgedehnten Starkniederschlägen führen, insbesondere wenn sie auf Orographie treffen.

Messstrategie

Wir stellen uns NAWDIC als modulares internationales Projekt vor, zu dem mehrere Gruppen Komponenten beisteuern, die im Prinzip auch als eigenständige Projekte durchführbar sind. Dies gibt uns die nötige Flexibilität, um mit unvermeidlichen Unsicherheiten bei der Finanzierung, Planung und Umsetzung umgehen zu können. NAWDIC bildet das Dach mit dem Ziel, alle Komponenten gemeinsam und koordiniert zu realisieren, um die Synergien zwischen den einzelnen Beiträgen zu maximieren. NAWDIC verfolgt einen "nahtlosen", skalenübergreifenden Beobachtungsansatz: Flugzeuge in großer Höhe und mit großer Reichweite, wie z. B. HALO, werden die großräumige Umgebung charakterisieren und Beobachtungen mit Fernerkundung und Dropsonden über die räumliche Ausdehnung eines synoptischen Ereignisses liefern. Geplante Beobachtungen mit Flugzeugen mittlerer Reichweite für den Einsatz in der mittleren Troposphäre (z. B. britische BAe146, französische ATR42) werden die mesoskalige Struktur und die mikrophysikalischen Eigenschaften des absteigenden Dry-Intrusion-Luftstroms und der planetaren Grenzschicht charakterisieren. Ergänzt wird dies durch bodengestützte Messnetze mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zur Beobachtung der mesoskaligen und konvektiven Strukturen, die mit den Auswirkungen des Wetters am Boden verbunden sind. In unserem nahtlosen Ansatz ist die Modellierung ein integraler Bestandteil, der - in Zusammenarbeit mit den Wetterdiensten - die heterogenen, aber präzisen Beobachtungen unter Verwendung von skalenübergreifenden Datenassimilationssystemen direkt in ein strukturiertes Modell übertragen wird.

Für weitere Einzelheiten verweisen wir auf den Internationalen Forschungsplan (nur in englischer Sprache verfügbar).

Zeitplan

  • 27. Januar – 7. Februar 2025: NAWDIC Dry Run
  • 8. März –  3. April 2025: Testeinsatz des KITsonde-Messsystems während der ASCCI-Kampagne in Kiruna (Schweden)
  • 12. Januar – 20. Februar 2026: NAWDIC Beobachtungszeitraum